Ähnlich virtuellen 3D-Modellen adressieren auch digitale Bildrepositorien einen breiten Nutzerkreis mit höchst unterschiedlichen Anforderungen, welche von einer Forschungsunterstützung und damit verbundenen geistes- und informationswissenschaftlichen Fragestellungen über eine Wissensvermittlung in akademischen und musealen Kontexten bis hin zu touristischen Anwendungen reichen (Münster 2011a). In Abhängigkeit vom Nutzerkreis existieren dabei eine Reihe teilweise gegensätzlicher Anforderungen: Für geschichtswissenschaftliche Forschungsaufgaben stehen beispielsweise Aspekte einer Vergleich- und Kontextualisierbarkeit von Quellen (Wohlfeil 1986; Brandt 2012; Münster et al. 2015) oder des Bezugs zwischen Quelle und Repräsentation (Favro 2004; Niccolucci / Hermon 2006) ebenso wie eine Identifikation beispielsweise von formalen Mustern, Singularitäten, Brüchen und Devianzen in Architektur und Stadtbild (Andersen 2007; Bürger 2011) im Vordergrund. Zu den damit verbundenen geschichts- und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen gehören beispielsweise:
Demgegenüber sind für eine Vermittlung geschichtswissenschaftlichen Wissens - neben der Attraktion von Aufmerksamkeit beispielsweise durch spielerische Elemente (Jacobson et al. 2009) - dessen mentale Anknüpfbarkeit und Verständlichkeit relevant. Mit Blick auf eine Nutzung sind zwei wesentliche Vorgehensweisen der Informationserschließung erkennbar: Einerseits ein selbstgesteuertes Durchsuchen von Sammlungen historischer Fotografien, Zeichnungen und Pläne, andererseits eine orts- oder kontextbezogene Informationsvermittlung beispielsweise im Zuge stadträumlicher oder musealer Präsentation. Mit Blick auf diesen letzten Aspekt hat insbesondere mit dem Aufkommen leistungsfähiger personal devices wie Smartphones oder Tablets eine Vor-Ort-Darstellung geschichtswissenschaftlicher Information als Augmented Reality Bedeutung gewonnen und wurde vielfältig erprobt und untersucht (Livingston et al. 2008; Zöllner et al. 2010; Walczak 2011). Dabei stehen umfassende Untersuchungen eines derartigen interaktiven Zugangs zu großen und heterogenen historischen Medienrepositorien sowohl aus technischer und gestalterischer Sicht als auch mit Blick auf Wissenstransfers und Lerneffekte jedoch noch aus.
Mit Blick auf eine Bildklassifikation gehen bisherige Ansätze vor allem von einer – durch Experten oder eine Nutzercommunity – vorgenommenen Verschlagwortung von Bildern aus. Insbesondere bei fotografischen Aufnahmen lassen sich über derartige manuelle Klassifikationen hinaus technische Ansätze einer Erkennung von Bild-Features oder Bildkompositionen (Hanzl / Káňa 2012) anwenden und daraus beispielsweise Ähnlichkeiten von Motiven ableiten (Hoiem / Savarese 2011; Endres 2013). Analog nutzen photogrammetrische Verfahren die Möglichkeit, anhand von fotografischen Aufnahmen von unterschiedlichen Standpunkten mit überlappenden Bildinhalten räumlich dreidimensionale Strukturen abzuleiten (Pierrot-Deseilligny et al. 2011; Kersten et al. 2012). Gerade umfangreiche Fotorepositorien ermöglichen die Erzeugung komplexer dreidimensionaler Landschafts- und Stadtmodelle, welche unter Nutzung bekannter ortsbezogener Objekte wie Bauwerke oder Straßenverläufe im Weltkoordinatensystem verortet werden können. Damit erlauben derartige 3D-Modelle wiederum einen ortsbezogenen und intuitiven Zugriff auf einzelne Bilder. Während solche Ansätze für zeitgenössische Fotografien erprobt sind und vielfältig Anwendung finden (Structure-from-Motion, z. B. Virtual Rome, MS Photosynth), stellt sich bei historischem Bildmaterial nicht nur das Problem höchst unterschiedlicher technischer Qualitäten und einer mangelnden Reproduzierbarkeit der Aufnahmesituation (Brenningmeyer / Begg 2006; Stojakovic / Tepavcevic 2009) sondern auch die Anforderung einer zeitlichen Dimensionierung der Aufnahmen. Die Forderung nach einer Auslotung derartiger Ansätze im Dienste der Humanities stammt dabei insbesondere aus den Reihen der Archäologie und im Kontext kulturellen Erbes (Ioannides et al. 2013). Aus diesen Bereichen stammen ebenfalls umfangreiche Vorarbeiten insbesondere zu technischen Algorithmen und Vorgehensweisen, welche jedoch zumeist anhand zeitgenössischer Aufnahmen oder anhand spezifisch ausgewählter historischer Bilddatenbestände erprobt wurden (Ioannides et al. 2013).
Durch die Verknüpfung von Orts- und Zeitbezügen entstehen Informationssysteme, in welche sich neben Fotografien eine Vielzahl weiterer, ortsbezogener Daten integrieren lassen. Gerade im deutschsprachigen Raum fokussieren derartige Systeme zumeist auf eine räumlich-zweidimensionale, zeitbezogene Kartierung historischer Artefakte sowie damit verbundene Relations- und Aggregationsinformationen. Dies spiegelt sich nicht nur in einer Vielzahl von Projekten sondern auch im als diesbezügliches Infrastrukturangebot entwickelten Europeana 4D Interface wider, welches die Basis des Dariah-Geobrowsers bildet und trotz seines Namens auf eine vorrangig zweidimensionale Kartierung abzielt. Darüber hinausgehend eröffnen perspektivisch korrekte Darstellungen dreidimensionaler Daten, beispielsweise als virtuelle Stadt- und Landschaftsmodelle, gerade mit Blick auf die Verknüpfung und Veranschaulichung komplexer historischer Informationen gegenüber Kartierungen eine Reihe von Möglichkeiten (Prechtel et al. 2013).
Die vorgeschlagene Präsentation stellt die konzeptionellen sowie empirischen Vorarbeiten der schon angeführten eHumanities-Nachwuchsgruppe HistStadt4D vor.
Die Nachwuchsgruppe adressiert mit Blick auf die beschriebene Problemstellung drei Fragenkomplexe. Ein geschichtlich-architektonischer Komplex behandelt am Beispiel der baugeschichtlichen Entwicklung der Stadt Dresden im 20. Jahrhundert Fragen, deren Bearbeitung mit einer intensiven Nutzung von Bild- und Planquellen verbunden ist und für welche eine Zusammenführung und technische Unterstützung Forschungs- und Vermittlungsmehrwerte verspricht. Dies umfasst Aspekte zeitlicher Entwicklung und Transformation einer Stadtlandschaft und formaler Stile ebenso wie kulturelle Aspekte wie beispielsweise ein fotografisches Dokumentationsverhalten und dessen geschichtsbildende Wirkung aber auch spezifische Fragen wie die nach einer Rekonstruktion des Aufnahmestandpunktes von historischen Fotografien.
Damit verknüpft ist ein zweiter, methodischer Komplex, welcher diesbezüglich forschungsmethodische Anforderungen an digitale Bild- und Planquellenrepositorien und sich daraus ableitenden technische Unterstützungsoptionen behandelt. Dazu gehören die Systematisierung von Unterstützungsbedarfen beispielsweise einer Identifikation und Kontextualisierung sowie eines visuellen Vergleichs zwischen derartigen Quellen und die Entwicklung von Nutzungsszenarien.
Darauf aufbauend behandelt ein informationell-technischer Komplex eine bedarfsgerechte Informationsmodellierung und deren technische Umsetzung am Beispiel der Deutschen Fotothek . Dazu gehören Aspekte einer Prozessierung und Verknüpfung von historischen Medien- und Wissensbeständen unter Einbeziehung von Ort und Zeit zu einer virtuellen Forschungsumgebung, sowie die Untersuchung und Entwicklung von Visualisierungs- und Informationszugängen mittels 4D-Browser sowie als interaktive ortsbezogene Augmented Reality.
Die vorgestellte Nachwuchsforschergruppe HistStadt4D befindet sich momentan in der Vorbereitungsphase. Zum Zeitpunkt der Konferenz werden präsentierbar sein:
Darüber hinaus liegen zum Zeitpunkt der Konferenz Ergebnisse im Kontext der Nachwuchsgruppe entstandener flankierender Forschungsarbeiten vor und sollen in eine Präsentation einfließen: