Gegenstand meiner Dissertation ist die Reise nach Jerusalem von 1520/21 von Heinrich Wölfli, erhalten in der deutschen Übersetzung von Johannes Haller. Einerseits soll - ganz klassisch im literaturwissenschaftlichen Sinne - eine narratologische Analyse der Beschreibung sowie ein Handschriftenvergleich, inkl. Stemma und Jahresschätzung der 6 bekannten Handschriften, anhand von inhaltlichen Abweichungen und Wasserzeichen vorgenommen werden. Zudem wird ein kodikologischer Befund, die Biographien des Autors sowie des Übersetzers, ein Stellenkommentar und ein kleines Lexikon der für diesen Text speziellen und ansonsten eher unbekannten Wörter erstellt.
Andererseits wird mithilfe von TUSTEP ebenfalls ein Stemma erstellt, welches mit den Ergebnissen der klassischen Vorgehensweise verglichen wird, und es werden abweichende Textpassagen der Handschriften dadurch genauer analyisert. Der kritische Apparat dazu soll ebenfalls mittels TUSTEP erstellt werden, mithilfe des Satz-Moduls.
Zusätzlich - und das ist der für das Poster relevanteste Punkt - ist angedacht, die teilweise sehr detailliert beschriebenen und auf das Datum und die kleinste Ortschaft genau festgehaltenen Reisestationen Wölflis in XML zu erfassen, und die Reise im DARIAH-Geobrowser zu visualieren. Dafür müssen zuerst die Ortschaftsnamen verifiziert und auf unsere heutige Namensgebung hin gemappt werden, sowie mit Koordinaten versehen werden. Angedacht ist eine interaktive Karte, in der schließlich nicht nur die Route dargestellt, sondern auch die geschilderten Begebenheiten der einzelnen Reisestationen sowie die zeitliche Komponente der Reise sichtbar gemacht werden sollen. Dafür soll TUSCRIPT genutzt werden. Ziel ist es, diese lebendig und humoristisch geschriebene Reisebeschreibung als eine ebenso lebendige und greifbare Erfahrung auf digitalem Weg zugänglich zu machen und dem Leser näher zu bringen; somit wage ich einen Brückenschlag über die zeitliche Distanz von knapp 500 Jahren und die gegebene räumliche Distanz, sowohl die der Reise selbst, als auch (unter Umständen) die von Rezipient und Autor. Ideologische Vorlage dieses Unterprojektes der Dissertation, welches ganz im Zeichen der Digital Humanities steht, ist die epigraphische Datenbank epidat des Steinheim Instituts.
Das vorgestellte Teilprojekt dient sicher der Visualisierung geisteswissenschaftlicher Daten und vielleicht auch der Vernetzung in einem ganz speziellen Sinne. Zudem kann es, weiter angereichert, auch für andere Fächer nutzbar gemacht werden, so zum Beispiel für die Fächer Geschichte, Geographie und Religionswissenschaften.
Dieses Teilprojekt der Dissertation ist derzeit in Arbeit. Wieviel davon im März 2016 zur DHd-Tagung bereits abgeschlossen ist, ist derzeit nicht abschätzbar. Sicher ist aber, dass bis dahin ein Teil der Daten schon aufbereitet ist und auf dem Poster vorgestellt werden kann, sowie, dass die generelle technische Umsetzung und die theoretische Überlegung dargestellt und erörtert werden kann. Dasselbe gilt für den Handschriftenvergleich, welcher sowohl mit klassisch-literaturwissenschaftlichen als auch mit digital-modernen Methoden angegangen werden soll, wobei der Fokus für den Beitrag doch primär auf der Visualisierung der Reiseroute liegt.
Für die Zukunft muss (urheberrechtspolitisch) noch eruiert werden, inwiefern die digitalisierte Version der vermuteten Originalhandschrift, welche mit aufwändigen Bildern versehen ist, im Netz (wenigstens eingeschränkt) zugänglich gemacht werden kann. Falls dem nichts entgegensteht, ist als Projekt nach der Dissertation eine digitale Edition von Wölflis Reise nach Jerusalem angedacht, im Stile des Parzival-Projektes der Universitäten Bern, Berlin und Erlangen (Stolz / Haustein / Glauch 2016).
Abb. 1: Beschreibung der Rückreise: Schiff im Sturm vor Griechenland, Dezember 1520